7. November 2023
Von Hans Haacke zu Pierre Huyghe. Non-Human Living Sculptures zwischen Systemtheorie und Ökologiekritik
Ein Vortrag von Ursula Ströbele im Rahmen der Ausstellung Lois Weinberger “Relatives” und der Reihe Kunstbegriffe, eine Vortragsreihe in Zusammenarbeit dem Landesverband Bildende Kunst Sachsen e.V. und der HfBK Dresden.
GEMEINSAM MIT DER KUNSTHISTORIKERIN URSULA STRÖBELE RICHTEN WIR DEN BLICK AUF KUNSTFORMEN, DENEN MAN AUF OFFENGELASSENEN BAHNGLEISEN, KOMPOSTAREALEN VON SCHLOSSGÄRTEN ODER IN EISHOCKEY-HALLEN BEGEGNET UND DIE DIE ÖKOLOGIE IN DEN KUNSTRAUM HOLEN. ALS MATERIAL DER KUNST WERDEN BIENENSCHWÄRME, PODENKOS, NEOPHYTEN, MIKROBEN ODER PILZE MIT EINBEZOGEN.
Seit 2018 erkämpfen sich Schüler*innen und junge Menschen mit der Fridays for Future-Bewegung den Weg auf die Straßen, mit einem glasklaren Ziel: weltweit den Klimaschutz bei den politischen Entscheidungsträger*innen einzufordern. Erbitterter noch: die Letzte Generation, die mit den gleichen Hintergründen eine radikale Aufmerksamkeitsverschiebung erwirken will: Alles soll endlich auf sie blicken: die Ökologie! Als „Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt“ (Oxford Languages, 2023) ist die Ökologie nicht nur das, was den Menschen umgibt, sondern das, was den Menschen mit seiner Umwelt verbindet – und darüber hinaus alle Lebewesen und Existenzformen. Spätestens seit den 1950er und 1960er Jahren fasziniert diese komplexe Verworrenheit der Ökologie Künstler*innen verschiedener Gattungen – denn auch früher schon – z.B. in den 1970ern und 1980ern gab es Sorgen um die ‚Natur‘, die sich in Umwelt- und Protestbewegungen ausdrückten. In der Philosophie begleiten Theorien wie die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT), die Object-Oriented-Ontologie (OOO) oder der Neue Materialismus verschiedene Arten von ‚Öko-Künsten‘, die den Blick erst auf das sichtbare, physisch erfahrbare Material der Welt lenkten (z.B. in der LandArt der 1960er) und später vermehrt die Ko-Existenzen der Lebensformen – auch in einer digitalisierten Welt – in den Fokus nehmen (z.B. im Öko-Techno-Feminismus). Wir wollen den Blick richten auf Kunstformen, die das Museum verlassen, sich auf offengelassenen Bahngleisen (Lois Weinberger), auf Kompostarealen barocker Schlossgärten und in verlassenen Eishockey-Hallen (Pierre Huyghe) einfinden oder die die Ökologie in den Kunst- raum holen (z.B. Hans Haacke). In denen Bienenschwärme, Podenkos, Neophyten, Mikroben oder Pilze als Material der Kunst mit einbezogen werden. In welchem Beziehungsgeflecht steht hier der Mensch, wenn es auch mal um das Nicht-Menschliche gehen soll? Oder: in welcher Verantwortung steht der Anthropos zu einem Planeten, dessen Zeitalter fortan eventuell Anthropozän heißen soll?
Prof. Dr. Ursula Ströbele ist ab Oktober 2023 Professorin für Kunstwissenschaft mit Schwerpunkt Kunst der Gegenwart an der Hochschule der Künste, Braunschweig. Zuvor leitete sie das Studienzentrum zur Kunst der Moderne und Gegenwart am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München (2019-2023). Sie promovierte 2010 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zu den Bildhaueraufnahmestücken der Königlichen Akademie in Paris (1700-1730). 2020 wurde sie mit der Arbeit Erweiterung des Skulpturalen. Analysen und Theorien aktueller Grenzphänomene: Non-Human Living Sculptures seit den 1960er-Jahren. Hans Haacke und Pierre Huyghe habilitiert. Zu ihren aktuellen Forschungsschwerpunkten zählen digitale, zeitbasierte Phänomene des Skulpturalen, Kunst und (queere) Ökologien, Que(e)rschnittsgeschichte der Skulptur des 20. Jahrhunderts, Infrastrukturen der Moderne, ephemere Medienbilder.
Der Vortrag findet im Rahmen der Ausstellung Lois Weinberger “Relatives” und der Vortragsreihe Kunstbegriffe statt.
In Zusammenarbeit mit dem Landesverband Bildende Kunst Sachsen e.V. und der HfBK Dresden
Eintritt frei
Vortragssaal Hochschule für Bildende Künste Güntzstraße 34 01307 Dresden