Valorisierung, Kulturerbe & absent objects. Erste Aktivierung innerhalb des Projekts Artificial Facts / Künstliche Tatsachen
Eine Veranstaltung von Artefakte//aktivierung in Kooperation mit der Ecole du Patrimoine Africain (EPA, Porto-Novo) und Didier Houénoudé (Universität Abomey-Calavi, Cotonou)
Beitragende: Georges Adéagbo, Künstler, Cotonou (BJ); Didier Houénoudé, Kunsthistoriker, Cotonou (BJ); Malte Jaguttis, Jurist, Köln (DE); Peju Layiwola, Künstlerin, Lagos (NG); Françoise Vergès, Politologin, Paris (F); Tobias Mörike, Islamwissenschaftler/Historiker, Dresden (DE); Emma Wolukau-Wanambwa, Künstlerin, Berlin (DE); Studierende der Universität Abomey-Calavi, Kunstgeschichte, Cotonou (BJ); Ecole du Patrimoine Africain, Porto-Novo (BJ); Artefakte//aktivierung, Künstler/innengruppe, Berlin (DE)
Im Zentrum dieser Aktivierung steht die Frage nach der Definition und der Bedeutung von trans/kulturellem Erbe sowie den damit verbundenen Praxen. Ausgangspunkt der zweitägigen experimentellen Veranstaltung mit Beiträgen von Künstler/innen, Ethnolog/innen, Kunsthistoriker/innen, Jurist/innen ist der Zugang zum kulturellen Erbe, die Hierarchie eines post/kolonialen räumlichen Verhältnisses und die Geschichte gewaltsamer Aneignungen: Formen der Präsenz exklusiver Objekte, die an anderer Stelle Verlust und Abwesenheit erzeugen. Die Aktivierung zielt somit auf eine Veränderung räumlicher Dis/Kontinuitäten wie: der Anspruch auf Besitz und seine Infragestellung, Zugänglichkeit, Verfügbarkeit, disziplinäre Deutungen und ihre Verflüssigungen, Klassifizierung und ihre Verschiebungen, Wert und Prozesse der De/Valorisierung, Orte der Aufbewahrung und Orte der Indienstnahme, museale Display-Interpretationen und soziokulturelle Performativitäten, (digitale) Re/Produktionen, originale Kopien, Dubletten, Fälschungen sowie weitere Mitbringsel.
Ein Fallbeispiel sind die über 2500 Artefakte aus Bronze und Elfenbein, die 1897 im Zuge eines von Großbritannien angestrengten Kolonialkrieges aus dem, im heutigen Nigeria gelegenen, Palast des Königreichs Benin geraubt wurden. In der Folge erzielten diese Objekte auf den westlichen Kunstmärkten hohe Preise und mündeten in seit damals kaum veränderte Besitzstände. Hier setzt die vorliegende Aktivierung an.
1897.com: Art and the Restitution Question (2009) von Peju Layiwola thematisiert das Fehlen der geraubten Artefakte, indem sie u.a. einen Ausstellungsraum mit Repliken einiger Reliefs und Köpfen füllt und damit eine historische photographische Aufnahme im Königspalast reinszeniert, die die Inbesitznahme der Objekte zeigt.
Ein zweites Fallbeispiel: 2006 organisierte die Fondation Zinsou in Benin (Republik Benin) eine Ausstellung zum 100. Todestags Béhanzins, des letzten Königs von Dahomey, im ehemaligen Königspalast in Abomey. Viele der Objekte, die in der Ausstellung gezeigt wurden, waren Leihgaben aus dem Musée du Quai Branly in Paris. Eines der zentralen Objekte, der Thron Béhanzins, durfte jedoch nicht nach Benin reisen. Der Kunsthistoriker und Kurator Didier Houénoudé spricht von einer Art Schock, der beim Anblick der Objekte durch die Kunstwelt in Benin fuhr – im Besonderen unter Studierenden der Kunstgeschichte und Künstler/innen. (Artefakte//aktivierung)